Würzburger SONNTAG - Main Echo vom 12.03.2000

"Theater muss auch provozieren"

Der Deutsche Bühnenverein hat die Bombendrohungen gegen das Theater Heilbronn wegen des Stücks »Corpus Christi« scharf verurteilt und das Theater bestärkt, es nicht vom Spielplan zu nehmen. »Die Drohungen sind einer demokratischen Gesellschaft unwürdig«, sagte der Präsident des Bühnenvereins, Jürgen Flimm, am Samstag auf einer Intendanten Tagung in Wiesbaden. Die Debatte möge »offen, mit sachlichen Argumenten, wenn auch emotional geführt werden«, aber nicht mit Gewalt.

Wegen der von Christen und Moslems als gotteslästerlich bezeichneten Inszenierung hatte es neben Demonstrationen und Protestschreiben auch. Mord- und Bombendrohungen gegeben. Zuletzt hatte eine fanatische »Hamas-Organisation« mit einer ferngesteuerten Rakete gedroht, sollte das Stück am Montag erneut aufgeführt werden. In dem Theaterstück des amerikanischen Purlitzer-Preisträgers Terrence McNally werden Jesus und seine Apostel als trinkfreudige Homosexuelle dargestellt. »Es ist auch Aufgabe des Theaters zu provozieren, die lähmende Ruhe eines nur oberflächlich vorhandenen Konsenses zu stören«, sagte Flimm, der Intendant des Hamburger Thalia-Theaters. Die Theater müssten die öffentliche Debatte mit Kunst in Gang halten. Flimm dankte dem Heilbronner Oberbürgermeister Helmut Himmelsbach, der den Heilbronner Intendanten Klaus Wagner vor öffentlichen Anfeindungen geschützt und sich jedes von den Gegnern der Aufführung geforderten Eingriffs enthalten habe. Die Zuschauer mahnte Flimm zur Besonnenheit. Wer über das Stück urteilen wolle, müsse es lesen. Wer sich zur Aufführung äußere, müsse sie gesehen haben.