Die Entgleisung des Intendanten

Von Andreas Sommer

" Corpus Christi" nach Hamburg

Zum Thema "Corpus Christi" ist scheinbar alles gesagt. Und doch gewinnen Zeitgenossen dem Thema immer neue Aspekte ab.

Vorerst letzter in der Reihe unrühmlicher Diskussionsbeiträge ist der Ulmer Intendant Ansgar Haag, der im Zusammenhang mit "Corpus Christi " von "entarteter Kunst" gesprochen hat. Unbegreiflich, warum sich der Intendant eines deutschen Theaters 55 Jahre nach Ende des Nazi-Terrors zu einer solchen Formulierung im NS-Jargon hat hinreißen lassen.

Haag hatte das Heilbronner Ensemble zu einem Gastspiel nach Ulm eingeladen, seinen Entschluss unter dem Druck der Ulmer CDU aber geändert.Vielleicht ist die Endlos-Debatte um das Stück von Terrence McNally doch ganz nützlich, weil sie zu Tage fördert, was in deutschen Köpfen noch so alles schlummert.

Die meisten christlichen Gegner distanzieren sich von Gewalt, nicht deutlich genug aber von jenen, die sie androhen. Deshalb sind die Absagen von Ulm und Karlsruhe eine Kapitulation vor gewaltbereiten Extremisten.

Derweil macht sich Großkritiker Gerhard Stadelmaier von der FAZ über " spinnerte Christen- und Moslemgruppen" lustig, kritisiert Haags Einknicken und tut die Heilbronner Inszenierung als "Schmarren " ab. Gesehen hat er sie zwar nicht, aber das juckt ihn wie viele Protestler nicht.

Ein schwuler Jesus ist eine Beleidigung, sagen die. Was aus Heilbronn kommt, muss Schmarren sein, sagt der Großkritiker.

Unterdessen hat das Theater Heilbronn einen Auftritt in Hamburg verabredet, am 28. Juni auf Kampnagel, Halle 6. Thalia Theater, Schauspielhaus, Kammerspiele und Kampnagel laden gemeinsam ein. Weitere Stationen: Kassel (26. Juni), Pforzheim (2. Juli), Weimar (6. Juli), Tübingen (8. Juli) und Freiburg (18. Juli).

Ulm plant eine Diskussion am 9. Juni im Stadthaus. 03.06.2000