Heilbronner Stimme vom 16.07.2001

 

Der Abstieg eines Gangsterpärchens

Von Birgit Rommel

Uraufführung des Musicals "Bonnie und Clyde" im Großen Haus des Stadttheaters Heilbronn

Wer demnächst im Heilbronner Theater ins Musical geht, kann auf Ohropax verzichten. Die Gesangsleistung der neun Darstellerinnen und Darsteller, die die Lebensgeschichte des Gangsterpärchens "Bonnie und Clyde " im Großen Haus zum Leben erwecken, können sich durchweg hören lassen. Bei der Uraufführung des Musicals von Paul Graham Brown überzeugt Judith C. Jakob als Bonnie sogar mit einer hervorragenden Stimme. Insgesamt ist es die gesanglich beste Produktion seit Jahren.

Begeisterung ruft auch das Bühnenbild von Thomas Pekny hervor, das mit Überraschungen aufwartet. Papierbögen verdecken ein Klettergerüst, das die Bühne an drei Seiten einrahmt. Immer wieder brechen Schauspieler durch die Fläche, fahren ganze Segmente mit Möbeln heraus. Dort, wo die Wand noch intakt ist, bietet sie Gelegenheit zu Schattenspielen. Die herabhängenden Papierbahnen erinnern an einen missglückten Do-it-yourself-Tapezierversuch, doch bieten sie den idealen Rahmen für ein Amerika der beginnenden 30er Jahre, das immer mehr auseinander fällt. Und für Menschen, die ausbrechen wollen, sei es aus der Gesellschaft oder aus dem Gefängnis, in das dieselbe sie gebracht hat.

Aber nicht alles an dieser Inszenierung ist Glanz: Das Genre Musical, wie es in Heilbronn gezeigt wird, lebt von den klassischen Zutaten Gesang, Schauspiel und Tanz. Die beiden letzteren lassen doch einige Wünsche offen. Ein Ensemble aus neun jungen Leuten - einige haben eine abgeschlossene Musical-Ausbildung - wäre sicher fähig, anspruchsvollere Choreografien umzusetzen. Petra Schulz lässt eine Mischung aus Fred-Astaire-Schritten für Anfänger und Ausdruckstanz evarga la Volkshochschule die Szenen bereichern, ohne das Publikum von den Sitzen zu reißen.

Regisseurin Madeleine Lienhard zeigt eine flüssige Story des Gangsterpärchens, lässt den Zuschauer mit einer zeitlichen Einordnung aber allein. Dass das Musical eine Dauer von fünf Jahren überspannt, ist nicht erkennbar.

Bonnie (Judith C. Jakob mit Herz und raumfüllender Stimme) und Clyde (Adrian Scherschel, kurzzeitig schwächelnd) tragen bis zu ihrem Tod dieselben Kostüme (Entwürfe: Roswitha Egger).

Eine Entwicklung der Personen ist nicht erkennbar, die Charaktere sind austauschbar.

Musik, Liedtexte und Buch stammen vom Paul Graham Brown, die Übersetzung schuf Frank Felicetti. Musikalisch hangelt sich der Brite vom Big-Band-Sound über Anleihen bei Stephen Sondheim bis hin zu Songcontest-tauglichen Duetten. Das Orchester unter Nicolas Kemmer bringt die Melodien mit Schwung, und beim zweiten Mal Hören setzt sich so manche Weise im Gehörgang fest.

Die Texte zwischen den Liedern sind meist wenig originell. Sie versuchen, mit fadem Gossenhumor zu beeindrucken, Wortspiele wie " Er ist kein Rächer, sondern ein Verb...recher" tragen mehr zum Kopfschütteln bei als zur Belustigung.

"Bonnie und Clyde " gehört zu den besseren Neuschöpfungen des Heilbronner Theaters. Die Geschichte bietet aber mehr fürs Auge und fürs Ohr als fürs Herz.

16.07.2001